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Den Abschluss des Vortrages soll ein kleines Stück bilden, das die heutigen Motive so knapp auf den Punkt bringt wie kein anderes und deswegen als einziges vollständig erklingen wird. Zwei Schweizern und gewissermaßen künstlerischen Nachzüglern war es vergönnt, das poetische und musikalische Bild des Wassers und des Brunnens in allen Aspekten in einem Achtzeiler bzw. einer Minute Musik zusammenzufassen: Der Nachromantiker Othmar Schoeck vertonte 1946 das bekannte Gedicht von Conrad Ferdinand Meyer aus den 1870er Jahren „Der römische Brunnen“.

Aufsteigt der Strahl, und fallend gießt
Er voll der Marmorschale Rund,
Die, sich verschleiernd, überfließt
In einer zweiten Schale Grund;
Die zweite gibt, sie wird zu reich,
Der dritten wallend ihre Flut,
Und jede nimmt und gibt zugleich
und strömt und ruht ...

Hier finden wir, in perfekte Worte gegossen – Meyer brauchte angeblich 24 Jahre für die endgültige Version des Gedichtes – auch musikalisch alles, was gutes Brunnenwasser ausmacht: den wiegenden Takt, hier ein 9/8, die perlenden Wellenfiguren, die temperierte Obertonharmonik, die harmonische Fortschreitung, die gleich dem Strahl aufsteigt, während das Wasser herabfließt und doch aufs Ganze gesehen stehen bleibt.

Bevor das Lied erklingt, möchte ich mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken. Vieles ist in diesem Vortrag zu kurz gekommen, weil meine musiktheoretische Wasserreise an so vielen verschiedenartigen Stationen vorbeischipperte. Also fühlen Sie sich frei, an einzelnen Punkten gleich anschließend Anker zu setzen oder offenzulegen, wo ich etwas ins Wasser gesetzt oder das Wasser des Vergessens getrunken habe. Was ist mit den angekündigten Regentropfen und Aquarien, dem Meer, was singt der Bach in seinem Wiegenlied in „Der schönen Müllerin“ und in welchem hellen Bächlein plätschert die Forelle? Außerdem lade ich Sie ein, diesen Vortrag demnächst auf meiner Website www.satzlehre.de nachzulesen und die Diskussion womöglich online fortzusetzen.

Der roemische Brunnen

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