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Gebändigtes Wasser – römische Brunnen
Meine musiktheoretische Wasserrundreise werde ich in Rom abschließen. Römische Brunnen standen im Mittelpunkt des Interesses einiger Künstler: Am Anfang natürlich der Erbauer selbst, später von Dichtern und auch einigen Komponisten. Was ist nun die Faszination eines Brunnens? Neben der offensichtlichen künstlerischen Schönheit und der von Stefan Fricke vor zwei Wochen erwähnten Qualität der „Klanginstallation“ versöhnt der Brunnen vielleicht zwei sich gegenüberstehende Aspekte des Wassers in sich:
Schon der Schöpfungsbericht der Bibel wurde eigentlich aus zwei verschiedenen Schöpfungslegenden zusammengestellt und betont jeweils unterschiedliche Bedeutungen des Wassers: als Segen und als Bedrohung. Auf der einen Seite der lebensspendende Charakter des kühlenden Nasses etwa in der Wüste, auf der anderen Seite die bedrohliche Naturgewalt, die durch Überschwemmungen die schlimmsten „Verwüstungen“ verursachen kann.
Ein Brunnen bändigt nun in künstlerischer Form das unbändige Naturelement, Fontänen und Kaskaden erinnern uns an seine Kraft, außerdem fördert ein Brunnen das Wasser aus eigentlich unerreichbaren Tiefen hoch zur bedürftigen Oberfläche.
Das Bild der domestizierten Natur und die Abbildung des ewigen Kreislaufes erscheint in den berühmten italienischen Brunnen besonders beeindruckend.
Franz Liszt vertonte in seinem dritten Jahr der „Années de pèlerinage“, den Pilgerjahren (entstanden von 1867-77), die Wasserspiele der Villa d‘Este in Tivoli bei Rom:
In den perlenden Figuren gibt Liszt uns seine eigene Version der an der Naturtonreihe orientierten Harmonik: Die Töne 1-9 werden am Beginn zu einem nominell dominantischen Septnonakkord, bei dem aber schon fast impressionistisch der Farbwert gegenüber dem funktional harmonischen überwiegt – spätestens wenn in T.4 daraus ein Sept-Non-Undezim-Akkord wird. Dies ist seine Begradigung der Obertonreihe:
Andere mögliche Angleichungen an die Temperierung wären folgende:
Naturtonskala auf Fis Überführung in Ganztonleiter & Akkord – Überführung in Pentatonik
Die Verwendung von Ganztonreihe und Pentatonik führt uns endgültig in die Stilistik des Impressionismus. Und in der Tat verwendet Maurice Ravels direkt an Liszt anknüpfendes Klavierstück „Jeux d’eau“ neben Septnonakkorden diese Skalen ausgiebig.
Gegen Ende des Notenbeispiels erklingt die Ganztonleiter mit den typischen dominantischen alterierten Klängen.
T. 48: Pentatonik auf den schwarzen Tasten
T. 24: zwei Dominantseptnon-Akkorde im Wechsel
Auch Ottorino Respighis symphonische Dichtung von 1916 „Fontane di Roma“ ist weitgehend dem musikalischen Impressionismus zuzuordnen. Das zugrundeliegende Programm vertont nach Aussage des Komponisten aber mehr die die Brunnen umgebenden Eindrücke als die Brunnen selber: wieder Wasser im Kontext, Wasser als Bedeutungsträger.