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I.                    Szenen an Bach, Land, Fluss

Machen wir jetzt einen kleinen Streifzug durch die Geschichte der fließenden Gewässer. Bei Beethoven sind wir gewarnt: In seiner „Szene am Bach“ singt zum einen natürlich nicht das Gewässer selber, zum anderen ist die Musik ja eher „Ausdruck der Empfindung als Malerei“.

Die fließenden Satzmodelle kommen im Thema des langsamen Satzes aus der 6. Symphonie nicht zum Einsatz, harmonisch bewegt sich die Musik nur im Bereich der Hauptstufen von B-Dur: Tonika, Dominante F-Dur und in T.5 innerhalb einer Kadenzformel auch einmal die Subdominante Es-Dur. Allerdings wird die wiegende Bewegung der Mittelstimmen ausharmonisiert: Es entstehen jeweils Wechselharmonien, die sich auch auf Hauptstufen beschränken. Die Harmonik kann man also begreifen als Sinnbild eines ungestört dahinplätschernden Bächleins. In den Bereich programmatischer Abbildung führen uns hier aber gleich mehrere Details: Das melodische Thema in den ersten Geigen beginnt zunächst nur mit kleinen Kräuselungen, bevor T.5f zwei größere Wellen entstehen. Längere Triller ab T.7 fügen der melodischen Wellenbewegung eine weitere typische Variante hinzu. Weg vom rein harmonisch-melodischen begegnet uns hier wieder die Taktart, die von da an für musikalische Schilderung von Wasserläufen obligatorisch zu werden scheint: der zusammengesetzte Dreiertakt, meist 6/8, hier doppelt so lang als 12/8-Takt. Ganze Generationen von Programmmusikern berufen sich auf diese Symphonie, und als wesentliches Element wird auch die neuartige Instrumentation begriffen. Sie entfernt sich weit von der generalbassorientierten  barocken und auch von der klassischen Registerinstrumentation. Statt die Streicher als Einheit zu verwenden, spaltet sie Beethoven auf in drei funktionell unterschiedliche Gruppen: unten der in Pizzicati tröpfelnde Bass, oben die in kleinen Wellen dahinplätschernde Melodie. Entscheidend für die originelle klangliche Wirkung sind aber die Mittelstimmen, die in erstaunlich tiefenlastiger Setzweise fließen. Der Clou sind hier die beiden Solo-Celli mit Dämpfer, die die ausgeterzten Mittelstimmen der zweiten Geigen und Bratschen in der Unteroktave ganz, ganz delikat verdoppeln. Gerade auf historischen Saiteninstrumenten ergibt sich ein fast geräuschhaftes Näseln, das man kaum anders interpretieren kann als eben „der murmelnde Bach“.

Es sei nicht vergessen, dass nicht nur die Empfindung eines Baches, sondern auch der Szenerie darum herum hervorgerufen werden soll, bis hin zu den bekannten Vogelstimmen gegen Ende des Satzes. Trotzdem möchte ich hier noch auf zwei Stellen hinweisen, die mir doch wieder recht deutlich das fließende Wasser darzustellen scheinen. Dort kommen auch wieder unsere beiden Sequenzmodelle Fonte und Monte zum Einsatz.

Pastorale01

Beethoven, 6.Symphonie, II. Satz, T. 31ff

Ohne Notenbeispiel: Beethoven, 6. Symphonie, II. Satz, T. 54ff für Monte: am Beginn eines durchführungsartigen Teils moduliert Beethoven von F-Dur nach G-Dur über: F – C7– F – D7 – G

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